Kiezgirl

BERLINERIN

Aufgewachsen als klassisches Großstadtkind mit weiten Wegen zwischen Schule, Erstwohnsitz bei Mama und Zweitwohnsitz bei Papa, mit häufigen Aufenthalten bei meiner persischen Zweitfamilie, die mir den liebevollen Spitznamen Katharina Valentina gaben – das sollte übrigens nicht mein einziger bleiben: Katti, Kasia und Katha gesellten sich über die Jahre auch noch dazu – und freundlicherweise für mein leibliches Wohlergehen sowie gestopfte Socken sorgten, durfte ich viele Orte mein Zuhause nennen. Einige gebe ich hier mal zum Besten: Weichselkiez, Akazienkiez, Graefekiez, Bergmannkiez, Winterfeldtplatzkiez – zugegeben das geht gar nicht; dann doch lieber Winterfeldtplatz. Für alle Berliner unter euch: Ihr wisst Bescheid! Und der Rest muss eigentlich nur verstehen, dass alle coolen Straßen in Berlin früher oder später eine Kiez-Endung erhalten und somit in die Riege der wirklich hippen Wohngegenden aufsteigen. Ich bin also ein Kiezgirl!

Dank der häufigen Umzüge durfte ich verschiedenste Formen des Zusammenlebens kennen lernen: Von Zweier-WG über Großraum-WG über das Hausprojekt mit 20 Mitbewohnern/innen bis hin zu dem Gilmore-Girls-Zweiergespann leicht durchgeknallte Mutter und vernunftbegabte Tochter, die mit zwölf Kundera und mit vierzehn Toni Morrison verschlingt. Ich hatte das unglaubliche Glück in den ersten 30 Jahren meines Lebens ganz unterschiedlichen Menschen zu begegnen, mit ihnen befreundet zu sein, zusammen zu leben, für sie zu schwärmen, von ihnen fasziniert zu sein, ihre Geschichten zu hören, ihre Macken kennen zu lernen, ihre dunklen sowie ihre strahlenden Seiten zu entdecken und all diese Berührungen, all diese Eindrücke, all diese kurzen und manchmal lang andauernden Begegnungen haben bei mir etwas hinterlassen. Um diesen Gedanken und Emotionen einen Raum zu schaffen, schreibe ich.

Um gleich mal eins klar zu stellen: Ich bin nicht witzig! Ich lache selten über die Witze anderer, weil ich, was das angeht, eine ziemlich lange Leitung habe. Ich mag keine Comedy, Satire, kein Kabarett, nicht einmal Komödien. Mir fehlt entweder das Allgemeinwissen, um die Anspielungen zu verstehen oder ich frage mich, warum jemand etwas so Dummes oder Peinliches tut bzw. sagt. In der Regel bin ich einfach nur verwirrt. Folglich kann ich selber auch gar nichts Witziges sagen oder schreiben und versuche es natürlich trotzdem, weil das Leben eh schon ernst genug ist. Meine größte Angst abgesehen von den Klassikern: Versagensangst, Verlassensangst, Flugangst, Fahrstuhlangst, Kontrollverlustangst, Prüfungsangst usw., ist es, am Spielplatzrand zu sitzen und den modernen Vätern von heute dabei zu zuhören, wie sie sich über die Farbe und Konsistenz von Kinderkacke unterhalten und dabei zu denken: „Ey, so sah das kleine Etwas meiner Tochter in der Toilette heute morgen auch aus.“

#katha.rosen